Treppensteigende Texterei (58/307)

Eine literale Lingualtrümmerfraktur.

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Atemlose Texte. Selbstgeschriebene und gelesene atemlose Texte. Unter Zeitdruck gelesene Texte, mehrfach gelesene; unter innerem Zwang zum Schreiben – also unter Druck – zum Ausdruck gebrachte Texte. Stoßweise, wie während des Weges hinauf auf einen Turm herausgepreßt. Sind ja nur 275 Stufen nach oben. Ich lese höre schreibe das Schnappen nach Luft. Manchmal steht ein Satz nach jedem einzelnen Wort wie ein asthmatischer Treppensteiger auf jeder Stufe. Und doch geht es immer weiter hinauf, auf des Turmes Spitze, zum Gipfel, auf einen Dachboden. Nur: wozu das?

Ich leide mit den Worten und Sätzen: Sie alle haben Höhenangst, spätestens wenn ich sie auf ein Papier schreibe.

Und doch geht es in vielen Geschichten hinauf, steil hinauf. Einen steilen Anstieg hinauf, fast wie die Meeraner Wand (die ich als Zuschauer bei der Friedensfahrt kennenlernte).

Noch drei Worte.

Pause. Atemlos dasitzen dastehen und pumpend nach weiteren Worten suchen.

Weitere Worte, hingerotzt. Aufs Papier geworfen. Von mir? Von irgendeinem Schriftsteller.

Bruch. Bruch, Bruch. Brüche allerorten. Im gedruckten Buch, das ich lese, sowohl in dem, das in meiner Jackentasche steckt als auch in dem, was im Bad liegt; und in dem Buch am Bett sowieso. Hier, in meinen Kladden, auf meinen Zetteln. Ganz sicher auch schon in meinem Sprachzentrum. Eine literale Lingualtrümmerfraktur. Vielleicht auch nur ein riesengroßes Puzzle in 120.000 Teilen, die ich mir aus den in meinem Hirnhaufen liegenden Ypzhn Fantastrilliarden Worten zusammenstoppeln muß? Es fühlt sich nicht an wie eine Herausforderung, eher wie hinderliche, schmerzende Befindlickeit, gegen die ich anschreibe. Grauenhaft. Anstrengend. Deshalb gerate ich immer wieder in Atemnot und muß nach jedem einzelnen Wort Pause machen.

Weißt Du, wie schwer es ist, einen Anzug anzuziehen? Und hat irgendjemand eine Ahnung davon, wie schwer es ist, jahrelang darüber zu sprechen, unter seelischem Schmerz darüber zu sprechen, ohne zu bemerken, daß das Anziehen des Anzuges nur meine eigene Lüge ist?

 

 

Der Emil

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 26. Februar 2015 war mein angenommener Vorschlag.
 
Tageskarte 2015-02-27: Die Zwei der Schwerter.

© 2015 – Der Emil. Text unter der Creative Commons 4.0 Unported Lizenz
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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Treppensteigende Texterei (58/307)

  1. Ulli sagt:

    es geht ums Tun, nicht um die Wirkung und schon gar nicht um die anderen …

    • Der Emil sagt:

      Du meinst den letzten Absatz? Oder … naja, ratlos bin ich trotzdem etwas.

      • Ulli sagt:

        ja genau … macht nix, ratlos ist auch mal okay, und so Schreibleere auch, es kommt wieder, immer wieder …

        • Der Emil sagt:

          Hm. Der letzte Absatz gehört eigentlich zu einem Text, an dem ich seit Wochen sitze; und mittlerweile gestehe ich mir ein, daß ich nicht rechtzeitig damit fertigewerde. Das Buch muß ohne meinen Beitrag auskommen …

          Schreibleere — nein, daran leide ich gerade nicht (auch wenn ich gestern von meinem Ideenlosen Hirn schrieb, aber das war nur Stilmittel 😉 zur Begründung des Unsinns). Zu viele Ideen, und ganz besonders der Anzug-Text, beschäftigen mich mehr, als mir eigentlich lieb ist.

          • Ulli sagt:

            okay, dann geht es mehr um das wie und was genau … hockst du an 1000 Tode?

            • Der Emil sagt:

              Im Prinzip ja; aber ich hockte. Keine Chance, bis zum Termin damit zurechtkommen. Dabei schienen die ersten drei Sätze ganz einfach — und dann war/bin ich plötzlich ganz in der Erinnerung und der Trauer und der Scham gefangen. Und was auch immer geschieht: da muß ich jetzt ersteinmal damit zurechtkommen.

              • Ulli sagt:

                ich verstehe … mich hat das Ganze auch eine lange Weile beschäftigt … beim ersten Anstz bekam ich zwei Tage danach unglaubliche Rückenschmerzen, als ich einige Zeit wieder ansetzte, machten sie sich wieder, aber dieses Mal ganz leise, bemerkbar, da verstand ich erst den Zusammenhang! Wahrlich, kein einfaches Thema!
                Emil, sei gut mit dir und zu dir … liebe Grüsse Ulli

  2. Sofasophia sagt:

    Ich lese zwischen den Zeilen. Nicht so einfach. Ahnungen. Mitgefühl. Verstehen. Und dann noch mehr Ahnungen.
    Wenn wir erst einmal die einst angezogenen Lügen erkennen und benennen, wird es einfacher sie auszuziehen. Vielleicht.

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