Damals auf der Farm (#334)

Und andere Geschichten

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Zu den von mir immer gelesenen Büchern gehört nicht nur Christa Wolfs «Kein Ort. Nirgends.», sondern auch ein kleines Reclam-Buch, das ich für 2,– M um 1984 herum kaufte. Ja, auch das lese ich immer, d. h. ab und zu werfe ich einen Blick hinein und gönne mir eines der Geschichtchen.

 

 

Das Opfer

Vom Heuboden dringen Mäuse in meine Arbeitsstube, um ihren Durst zu stillen. Ich ertappte sie, als sie nachts die saftigen Blätter meiner Fensterblumen abfraßen. Da stellte ich ein Wasserschälchen auf. Die Mäuse tranken aus dem Schälchen und verschonten meine Blumen, und ich wußte fortan, weshalb unsere Urväter den bösen Geistern Opfergaben brachten.

Erwin Strittmatter: Damals auf der Farm. S.14. Verlag Phillip Reclam jun. Leipzig. Reclam Universal-Bibliothek Band 583. 2. Auflage 1977, Lizenz-Nr. 363.340/19/77. Alle Rechte gehören dem Aufbau-Verlag Berlin und Weimar

 

 

In dieser kurzen Geschichte zum Beispiel lerne ich etwas über Denk- und Lebensweise. Andere hätten Mausefallen aufgestellt, die Katze in die Arbeitsstube gesperrt, Gift ausgelegt. Auch ich war (im Haus) früher so einer … Strittmatter läßt den Erzähler aber anders handeln.

Erwin Strittmatter erinnert mich mit diesen wenigen Worten daran, daß es auch eine andere Sichtweise als die auf den Schädling gibt: Die auf ein Mitgeschöpf. Ich werde daran erinnert, daß es elementare Bedürfnisse gibt, die unter Lebensgefahr erfüllt werden müssen. Solche, die so wichtig sind, daß man über ihrer “Befriedigung” die Angst nicht vergißt, aber mit schlackernden Knien sie für kurze Zeit niederkämpfen kann, sie zeitweise überwindet.

Und Strittmatter erinnert mich auch daran, daß in den – vielleicht sogar abergläubischen – Ritualen unserer Vorfahren oft ein durchaus realer Kern steckt. Hier ist es das Wasser, das den Mäusen gegeben wird, auf daß sie nichtmehr an den Blumen fressen. Dort sind es die Körner oder Kekse, die man hinstellt, um die Wichtel zu besänftigen und von der Speisekammer fernzuhalten.

Noch viel mehr löst dieses Opfer zur Zeit in mir aus, viel weiter Hergeholtes, das mir gerade sehr naheliegend scheint.

Der Schöpfer von Ole Bienkopp hat mit seinen Büchern mein Leben reicher gemacht.

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 28. November 2012 waren der Besuch in der Hauptfeuerwache und gute Gespräche.

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Über Der Emil

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0 Antworten zu Damals auf der Farm (#334)

  1. Frau Blau sagt:

    auch so einer, der noch von mir gelesen werden will, danke für die Erinnerung lieber Emil … Opfer geben, das ist ein großes Thema, finde ich … ich habe einen Freund, der mit seiner Familie, bevor sie Essen, immer erst etwas von ihrer Speise auf ein Tellerchen legen und dies dann in ihren Garten stellen … manchmal denke auch ich daran, aber viel zu selten, shame on me … aaaber immerhin, wenn mich ein Platz in der Natur willkommen heißt, dann schenke auch ich ihm etwas, manchaml Apfelstückchen, manchmal Tabak, manchmal Milch, je nachdem was ich dabei habe und was mein Anliegen ist …
    Opfer bringen hat aber noch so viel andere Aspekte …
    wenn ich Opfer bringe, dann aber nie mehr nicht als Opfer …

    schöne Gedanken, die du uns heute geschickt hast, danke dafür und liebe Grüße
    Ulli

    • Der Emil sagt:

      Zuviel der Ehre, Ulli, denn die Gedanken schickte ja olle Erwin.

      Wenn Du Strittmatter lesen willst, dann empfehle ich zu Beginn seine kürzeren Sachen: 3/4hundert Kleingeschichten, den Schulzenhofer Kramkalender, und seine Geschichten ohne Heimat (von 2002). Ole Bienkopp und Der Wundertäter sind etwas – sperrig? Gewöhnungsbedürftig? Anstrengend? Seicht? Propagandistisch? Naja, und „Der Laden“ hat halt schon Buddenbroks’sches Format …

  2. Sofasophia sagt:

    eine herrliche perle, die du uns da offenbarst – der text ebenso wie deine gedanken dazu.

  3. Gudrun sagt:

    Ach, Emil, da triffst du wieder einen wunden Punkt. Ich mag Strittmatter. Ich weiß nicht, wie oft ich seinen Schulzenhofer Kramkalender gelesen habe. Die vielen Kleinigkeiten sind es, die wahrgenommen werden wollen. Und plötzlich kann man sich daran erfreuen.
    Mit dem Mäusen allerdings hatte ich immer so meinen Zoff. Als die Kleo noch Außenkatze war, schenkte sie mir öfter Mäuse. Auch Lebende. Eine hatte sich noch unter mein Sofa gerettet, um in Ruhe zu sterben. Ich wusste bis dahin nicht, wie sehr so eine kleine Maus stinken kann. Mäusefallen habe ich nicht aufgestellt, aber auf Knien mit einer Butterdose in der Hand bin ich ihnen schon öfter hinterhergestiegen. Meine Katze sah mir bei der Jagd zu und ich konnte mir vorstellen, was sie dachte. Ich weiß nicht, auf wen ich mehr Wut hatte. Nein, die Mäuse hätten bei mir kein Wasser bekommen. Ich hab sie immer wieder fein nach draußen befördert.
    Aber draußen, da hab ich schon Opfer gebracht. Ein Marder hatte unter meiner Garage Asyl, Kleo musste ihr Katzenfutter mit dem Haus- und Hof-Igel teilen, für Raben kaufte ich Nüsse und meine Hütehunde habe ich noch versorgt, da war ich schon lange nicht mehr bei den Schafen. Ich hab das gerne getan, denn die Tiere waren eines nicht: gierig und mißgünstig.
    Es ist schon wieder verdammt spät, aber leider komme ich nicht früher nach Hause. Und so bin ich mal wieder die Allerletzte. 😀

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