Frühaufstehen (#333)

Die “Gesundheitskasse” war Schuld!

Spekulative Legende über die Herkunft einer Unsitte.

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Es war einmal, so Anfang des 14. Jahrunderts, ein wendisches Dorf ganz am Ende der bekannten Lande, in dem lebte Bauer Hadufrid. Der war mit seinen 32 Jahren schon uralt und hielt sich Kühe, Schafe und Ziegen. Hadufrid hatte zudem ein noch gar rüstiges Weib. Doch wie das so bei uralten Männern ist, mußte Hadufrid Nacht für Nacht raus. Um genau 2.47 Uhr stand er auf, ging hinaus zum Misthaufen und schlug dort mühevoll und unter Schmerzen sein Wasser ab. Die Uhrzeit wußte der Bauer sehr genau, obwohl die Zeitmessung mit Uhren noch nicht weit verbreitet, ja, nochnichteinmal so recht erfunden war.

Aber weil Hadufrid nun jede Nacht munter war und sich darüber so sehr aufregte, daß er gewiß nicht gleich wieder einschlafen konnte, stapfte er jede Nacht um genau 3.07 Uhr in seinen Stall und begann um 3.22 Uhr, all seine Kühe und Ziegen und Schafe zu melken. Die fanden das zwar auch nicht Recht, konnten sich aber außer durch lautes Muhen, Blöken und Meckern nicht wehren.

Obendrein gaben die Tiere mitten in der Nacht sehr wenig Milch, worüber sich Hadufrid dermaßen erboste, daß er nach zweieinhalb Stunden schwerer Arbeit lauthals schimpfend ins Stroh zurückkroch zu seinem Weibe. Die ward von den markigen Worten ihres Gemahls gegen halb sechs auch geweckt und zeterte mit ihm.

Des Hadufrids Weib hatte leider eine gar durchdringende Stimme, die im gesamten Dorf zu hören war. Sämtliche näheren und weiteren Nachbarn wurden davon wach. So kam es, daß es zur Sitte wurde, mitten in der Nacht den Schlaf zu beenden und das Tagwerk zu beginnen, nur um nicht von dieser schrecklichen Stimme geweckt zu werden. Schließch übte es sich ein, vor Sonnenaufgang noch das karge Morgenmahl einzunehmen und hernach mißmutig und übellaunig mit dem Tagwerk zu beginnen. Das Frühaufstehen wurde zur allgemein verpflichtenden Tugend erklärt.

Und warum? Weil Hadufrid damals noch nicht zur Prostata-Vorsorgeuntersuchung gehen konnte! Der mit seinen 32 Jahren unralte Bauer war nämlich nicht Mitglied der Gesundheitskasse und wurde deswegen nicht von einer Allgemeinen Ortskrankenkasse darauf aufmerksam gemacht, daß es da gewisse Probleme geben könnte …

Und wir alle müssen heute noch darunter leiden, daß die Krankenkasse erst so spät mit der Aufklärung über gesundheitliche Risiken begann. Jeden Morgen gellen und schrillen heut die Wecker und reißen unschuldige Bürger aus den schönsten Träumen oder den Armen ihrer Weiber oder Männer.

Weil Anfang des 14. Jahrunderts in einem wendischen Dorf ganz am Ende der bekannten Lande der arme Bauer Hadufrid noch nichts von einer Gesundheitskasse gehört hatte und immer öfter nachts rausmußte: Deshalb ist Frühaufstehen eine Tugend und ein Arbeitsbeginn mitten in der Nacht üblich.

 

So ungefähr stelle ich mir das jedenfalls vor, nachdem ich durch das Voinych-Manuskript blätterte. Ähnlichkeiten mit wahren Begebenheiten und / oder heute und / oder früher lebenden Personen und / oder existierenden Bräuchen und / oder Einrichtungen sind beabsichtigt und durchaus keine Zufälle.

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 27. November 2012 waren ein kreativer Vormittag und ein entspannter Nachmittag.

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Über Der Emil

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0 Antworten zu Frühaufstehen (#333)

  1. Follygirl sagt:

    🙂 … Du hast Ideen!
    LG, Petra

  2. irgendlink sagt:

    Die armen Ziegen.

  3. ahh deswegen muss ich immer so früh aufstehen.
    wie gemein!

  4. Inch sagt:

    Das zaubert mir, so mitten in der Nacht, ein breites Grinsen ins Gesicht

  5. Frau Blau sagt:

    endlich habe wir den Schuldigen gefunden, der soll mir unter die Finger kommen, lebt jetzt bestimmt als Oberstudienoberschlau unter uns ;o)
    :o) lustige Idee!
    lieb grüß ich dich

  6. Susanna D. sagt:

    Habe mich köstlich amüsiert. Schön beschrieben und fein hervor gearbeitet. Das ist eine Geschichte, die man in 200 Jahren für eine Sage halten könnte Eine Geschichte eben, von der man sagen wird, das sie einen wahren Kern habe.. . ich sehe das ganz deutlich vor mir.^^

  7. vierachtel sagt:

    Hadufried. Ein schöner Name!

  8. Mia sagt:

    Endlich erklärt mir mal einer wie es wirklich war. 🙂
    Im Land der Frühaufsteher.

  9. Gudrun sagt:

    Als ich in Litauen im Urlaub war, machten sich meine Freunde dort über die Deutschen lustig und eben genau diese Unsitte. Keiner würde dort ein Kind um 5.00 Uhr aus dem Bette zerren und in eine Kindereinrichtung bringen. Da fängt der Tag später an und hört eben auch später auf. Hätte ich deine Geschichte damals schon gehabt, dann hätte ich wenigstens einen Schuldigen benennen können.
    So, ich habe gerade mein Tagewerk beendet und bin zu Hause wieder angekommen. So richtig glücklich bin ich aber auch darüber nicht. Aber vielleicht liegt das gar nicht an den Zeiten?
    Gute Nacht, lieber Emil.

    • Der Emil sagt:

      Es ist irgendwie nur in Deutschland so extrem positiv bewertet. Und egal, was Schulpsychologen sagen: Schule muß vor acht Uhr beginnen (find ich völlig beknackt).

      Wieso (Büro-) Arbeit auch überall vor neun Uhr beginnen muß, verstehe ich genausowenig.

      VIelleicht würde ich für eine wirklich sinnvolle, befriedigende und gut bezahlte Tätigkeit auch mit Freuden um drei aufstehen – nein, ich würde es wahrscheinlich tun.

  10. Gabi sagt:

    Na toll! Da hat uns dieser Bauer ja was ordentliches angetan! 🙂 Und wir Nachtmenschen müssen darunter leidern. 🙂
    lg Gabi

  11. Sofasophia sagt:

    du hast es mal wieder durchschaut, was wir alle nur ahnten 🙂

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