Hoffnung und Erwartung (#332)

Ergänzung zur Vorfreude

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Auch auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole …

 

 

Václav Havel schrieb einmal: «Hoffnung ist nicht die Überzeugung, daß etwas gut ausgeht, sondern die Gewißheit, daß etwas einen Sinn hat, egal wie es ausgeht.»

 

 

Dem kann ich nur zustimmen, und so bleibt für mich die unerfüllte Erwartung das, wonach ich mich ent-täuschen muß (denn ich habe mich getäuscht). Ich habe diese Sätze schon gestern in einem Kommentar zu Vorfreude. Schönste Freude? geschrieben.

Sich selbst zu täuschen, mich selbst zu täuschen war / ist ganz einfach. Ich muß doch nur alle Warnsignale übersehen und ignorieren. Die Vorstellung von etwas muß ich doch nur so positiv überhöhen, daß mich die Wirklichkeit dann auf den harten Boden der Tatsachen zurückholen kann.

Erwartungen sind (fast immer zu) groß. Auch in der Depression sind die Erwartungen zu groß (gewesen): nämlich die, von denen ich glaub(t)e, ihnen entsprechen zu müssen. Dann kam / kommt die Angst vor der An- / Überforderung, die (depressive) Gewißheit, sowieso zu versagen – und ich fing / fange garnicht erst an, ihnen entsprechen zu wollen. Nein, ich kann das nicht, ich will das nicht, es ist doch sowieso alles sinnlos, was soll (mir) das bringen, wozu denn noch, am besten wäre ich überhaupt nichtmehr da …

In der Depression war es wirklich egal, wie es ausgeht. An einen positiven Ausgang, an einen, irgendeinen Sinn von Irgendetwas zu denken war einfach nicht möglich. «Lasciate ogni speranza, voi ch’entrate!» (Laß alle Hoffnung fahren, wenn Du hier eintrittst. Dante Alighieri: Die göttliche Komödie) Das war, was mir in der Depression widerfuhr. Zu dieser Hoffnungslosigkeit kam dazu die Mutlosigkeit, die Freudlosigkeit, die Antriebs- und all die anderen Losigkeiten, die mein Leben so lange bestimmten.

Meine Mutlosigkeit, meine Versagensangst waren so groß, daß ich aus der Angst vor dem Versagen heraus nichts mehr versucht und damit überall versagt habe. Die Erwartung, die ich hatte, die Erwartung, in allem möglichen zu versagen, ein Versager zu sein, die wurde daher nie enttäscht. Andere Erwartungen gestattete ich mir einfach nicht: Sie wären doch sowieso nicht erfüllt worden.

Heute erwarte ich auch wieder Gutes. Heute glaube ich auch wieder daran, daß ich etwas kann, etwas schaffe, etwas vollbringe. Angefangen hat es mit diesem Blog hier, mit dem täglichen Schreiben. Nach und nach traute ich mir wieder mehr zu. In einer Therapie lernte ich, nicht gleich wieder alles zu katastrophisieren, wenn einmal etwas nicht 100%ig, sondern nur 50%ig funktionierte. Ja, ich lernte sogar, daß manchmal das Verharren auf einem bestimmten niedrigen Niveau schon ein Erfolg ist – es wurde ja wenigstens nicht schlechter. Ich habe dafür manchmal wirklich große Anstrengungen unternehmen müssen.

Erfolge als Erfolg anzusehen, auch wenn sie den überzogenen Erwartungen nicht entsprachen, war ein ganz wichtiger Lernvorgang.

Nun aber nocheinmal zur Vorfreude:

Die habe ich, wenn ich etwas Gutes, Positives erwarte. Was gut und positiv ist, bestimme ich und nicht andere. Jetzt kann ich auch meine Anstrengungen besser dosieren, nämlich gerade so, daß ich das, worauf ich mich vorfreue, auch erreiche, mit Sicherheit erreiche. Und was ich will, muß nicht perfekt sein. Wie zum Beispiel Weihnachten: Ich kann dafür nur tun, was ich zu tun vermag. Schnee kann ich nicht machen, auch wenn der zum perfekten Fest dazugehören würde.

Das Leben ist voller Vorfreude, wenn die Erwartungen nicht ins Unermeßliche steigen. Und aus der Vorfreude wird Freude und Zufriedenheit, nach und nach. Weihnachten kann ich das wieder genau so erleben.

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 26. November 2012 war das “kollektive Verschlafen”.

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Über Der Emil

Not normal. Interested in nearly everything. Wearing black. Listening. Looking. Reading. Writing. Clochard / life artist / Lebenskünstler.
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0 Antworten zu Hoffnung und Erwartung (#332)

  1. Anna-Lena sagt:

    Erwartungen bauen meist einen großen Druck auf und wenn sie nicht erfüllt werden, sind die Konsequenzen oft ernüchternd.
    Ich gehe den Weg der kleinsten Schritte, erwarte möglichst wenig, damit ich nur ein wenig enttäuscht bin.
    Einen lieben Gruß am Morgen,
    Anna-Lena

  2. Frau Momo sagt:

    Kluge Worte von Herrn Havel. Ich habe lange gar nichts mehr erwartet, aber dann hab ich mein Leben doch wieder in die Hand genommen und habe nicht Erwartungen erfüllt, sondern Verantwortung für mein Leben übernommen. Das war ein hartes Stück Arbeit, aber es hat sich gelohnt, war aber mit vielen Malen wieder Hinfallen, wieder Aufstehen verbunden.

    • Der Emil sagt:

      Ich war da schon einen Schrit weiter. Ich habe erwartet, ich wußte, daß ich versage. Hat immer funktioniert.

      Ja, die Arbeit hat sich gelohnt – ich würde nur gern weiterarbeiten, mit Hilfe …

  3. Herbstbaum sagt:

    Gut formuliert und ausgesprochen. Ich glaube viele/einige von uns kennen Mutlosigkeit und haben noch keine Sprache.

  4. Elvira sagt:

    „…wenn einmal etwas nicht 100%ig, sondern nur 50%ig funktionierte…“ Nimm das „nur“ weg und ersetze es durch „schon“, schwups, werden 50% schon zum Erfolg.
    Liebe Grüße von Elvira

  5. Dina sagt:

    Lieber Emil, das ist ein schönes Zitat. Passt gut auf dich auf.
    Sei lieb gegrüßt
    Hanne

  6. Martina G. sagt:

    Ein Zitat, das auch mir gafällt. Das mit den 50% und 100% ist ein guter Vergleich, genau wie „Das Glas ist nicht schon halb leer, sondern es ist noch halb voll“ sowas baut irgendwie auf.
    Pass gut auf Dich auf 😉
    LG Martina

    • Der Emil sagt:

      Der Pessimist: “Schlimmer kanns nicht mehr kommen.” Der Optimist: “Doch!” 😀

      Etwas geschafft zu haben ist immer ein Erfolg. (Naja, fast immer …)

  7. Sofasophia sagt:

    dein text macht mir mut … danke!

  8. Frau Blau sagt:

    das Scheffel nicht zu hoch zu hängen, das musste ich lernen, seitdem geht es mir doch um einiges besser, Zufriedenheit, Glücksmomente und haben deutlich zugenommen und wenn dann mal wieder die Zeit des Dunkeltals angesagt ist, dann dauert es nur noch kurz, weil das Lichtlein nun immer brennt 🙂
    danke dir lieber Emil für deins und das wirklich klasse Zitat von Herrn Havel
    liebgrüß
    Ulli

  9. Gabi sagt:

    Ich finde es toll, wie Du Deinen Weg stetig aufwärtst gehst oder zumindest – wie Du es selbst geschrieben hast – ein gewisses Level halten kannst. Das glaube ich Dir gerne, dass dies zu erreichen harte Arbeit war/ist.
    Ich kann leider mit Enttäuschungen nur sehr schwer umgehen. Vielleicht erhalte ich mir deswegen meinen Pessimismus, denn wo nicht viele Erwartungen sind, da kann auch nicht viel enttäuscht werden.
    lg Gabi

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