7. Türchen (Nº 341 #oneaday): Weihnachtsberg

Geschichte und Geschehen

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Aus alten Zeiten, etwa ab dem 17. Jahrhundert, kennen die Menschen im Erzgebirge die (später auch mechanischen) Weihnachtsberge. Damals war der christliche Glaube überall zuhause. Und zu seiner Mehrung und Festigung gingen die Pastoren und Pfarrer manchmal auch ungewöhnliche Wege. So wurden aus Papier, Gips und Pappmaché in verschiedenen Pfarrgemeinden die Szenen um Jesu Geburt nachgebildet. Und zur Weihnachtszeit wurden diese Dartellungen dem gemeinen Volk gezeigt, erhielten so den Namen Weihnachtsberg.

Bauern und Bergleute suchten sich für die lichtarme Jahreszeit, wenn es auf dem Feld und im Garten nichts mehr zu tun gab, eine Beschäftigung. Viele schnitzten Haushaltsgegenstände wie Teller und Löffel oder fertigten Schwefelhölzchen. Irgendwann im 18. Jahrhundert begannen die Häusler und Bergleute, die Weihnachtsbergfiguren für ihre Hütten nachzuschnitzen oder nachzuformen. So kamen Maria und Joseph, das Jesus-Kind, die Schäfer und Engel und die heiligen drei Könige zu den Menschen nach Hause. Sie wurden in mit getrocknetem Moos abgedeckten Säge- oder Hobelspänen aufgestellt, und mit ihnen Schafe, Ochs und Esel.

Bald kamen einige Figuren aus dem täglichen Umfeld hinzu: Der Jäger, die Kräuterweiblein, Holzknechte und Bergleute. Frauen beim Pilze- und Beerensammeln. So zog der Weihnachts- oder Heimatberg in die erzgebirgischen Haushalte ein.

Unbekannt ist, wer dann als erster mit einem Uhrwerk und mit Stangen, Rädchen und Zwirn dafür sorgte, daß die Figuren sich bewegen. Aber es geschah, und auf den mechanischen Weihnachtsbergen finden sich sägende Männer, vor Ort arbeitende Bergleute, vorbeiziehende Rehe, auf und ab schwebende Engel. An manchen Figuren bewegen sich nur die Köpfe, und in anderen Szenen wandert eine ganze Bergparade vorbei. Sogar fahrende Boote auf echtem Wasser wurden geschaffen.

Und mit der Verbreitung der Elektrizität wurden die Möglichkeiten der Antriebe besser. Und die Berge wurden größer. Falls jemand von euch mal ins Erzgebirge fährt: Im Museum für bergmännische Volkskunst in Scheeberg ist eine ziemlich umfangreiche Sammlung kleiner bis riesengroßer Weihnachts- bzw. Heimatberge zu sehen. Unter anderem einer, der das bergmännische Leben zu Zeiten der SDAG “Wismut” darstellt. Das ganze Jahr über ist dort, in diesem Museum, für mich Weihnachten.

Übrigens: Ich kenne einen mechanischen Weihnachtsberg aus eigener Anschauung. Der hat nicht nur die biblischen Szenen dargestellt, sondern auch Teile des erzgebirgischen Lebens zur DDR-Zeit. Immer im Kreis herum liefen Tiere und Menschen. Am “Horizont” springen Reh, Hase und Jagdhund vorbei. Der davorstehende Jäger hebt bei jedem Tier sein Gewehr. Und in der Mitte dieses Weihnachtsberges ist Platz für den (künstichen) Weihnachtsbaum, der sich immer dann dreht, wenn auch die Figuren sich bewegen.

Angetrieben wird der Berg von einem Waschmaschinenmotor. Dessen Kraft wird durch selbstgebogene Fahrradspeichen, Draht, Bindfaden, diverse Holz- und Zahnräder, Pappröhrchen, eine Fahrradkette und so manche obskure Feder weitergeleitet an all die beweglichen Teile. Ein Blick unter die Tischplatte, unter die Oberfläche, ist ein Blick in ein Chaos aus wackelndem Schrott. Die Ordnung dahinter, die Funktion der einzelnen Teile kennt nur der Erbauer.

Dieser Christbaumfußweihnachtsberg wuchs über lange Jahre, später wurde nur noch repariert. Und es wurde stilecht repariert, d.h. eine Fahrradspeiche wird durch eine Fahrradspeiche ersetzt, ein Bindfaden durch einen Bindfaden. Denn gerade das ist es, was die Einmaligkeit ausmacht bei diesem in den 60ern begonnenen Kunstwerk.

Und wenn dann der Erbauer neben seinem Wunderwerk im Ohrensessel oder im Drehstuhl saß und seinen Enkeln eine Geschichte zur Weihnachtszeit erzählte, während die Kerzen langsam herunterbrannten, der Baum sich drehte und Räuchermännchen langersehnte Dütfte ins Zimmer nebelten, dann, ja dann war endlich die Weihnachtszeit gekommen.

Ich wünsche euch eine besinnliche Zeit.

Der Verfasser des Blogs schleicht davon und dankt für’s Lesen.

P.S.: Positiv am 6. Dezember 2011 war ein tolles Beratungsgespräch und ein sehr schönes Treffen mit einer sehr guten Freundin.

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Über Der Emil

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0 Antworten zu 7. Türchen (Nº 341 #oneaday): Weihnachtsberg

  1. Wundervoll. Es wir einem warm ums Herz und es riecht nach Räucherkerzen. Und gelernt haben wir auch schon wieder was. Stichwort Räucherkerzen: Bekommen wir auch noch eine Geschichte „Der Waldschrat feiert Weihnachten?“ BIIIITTEEE!

  2. Inch sagt:

    Weihnachtsberg. Davon hab ich noch nie gehört!

  3. Toller Blog, ich merke gerade ich habe keine Ahnung von Weihnachten^^

    LG TB

    • der_emil sagt:

      Ach komm. Das ist eine regionale Besonderheit, diese Weihnachtsmacke. Wer weiß, wovon ich keine Ahnung habe – das dürfte eine ganze Menge sein, Krabbenpulen z.B. …

  4. bauchundnase sagt:

    Ach wie schön!
    Sind die Raachermannel da oben (also im Bild oben ;), deine? Den Ofen hab ich mir gestern bei einem Stand angeschaut und find ihn einfach herrlich. Da gibt es ja noch eine größere Variante mit Teelichte und Räucherwerk in kleine Töpfe rein. Wäre meine Geldbörse nicht grad etwas spärlich besetzt hätte ich den glatt mitgenommen. Zu schön, ich liebe Blechzeug. …
    Leider mag mein Mann keine Räucherkerzen, das würde hier sonst ständig vor sich hin räuchern. (Müssen aber gute sein, mit echtem Geruch, mit dem Kunstzeugs hab ich es nicht so.)

    ( Ach ja, S.G.B. ist Siddharta Gautama Buddha.)

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  6. Elvira sagt:

    Räuchermännchen finde ich in (fast) allen Varianten schön und sammelnswert – nur den Geruch kann ich nicht vertragen, und ich habe schon fast alle ausprobiert. Trotzdem stelle ich jedes Jahr Räucherhütchen in das von meinem Sohn als Kind getöpferte Räucherhäuschen (und zünde es auch an 😉
    Danke für die erzählte Geschichte!
    Liebe Grüße,
    Elvira

  7. Andrea sagt:

    Ein Waschmaschinenmotor! Ach ja … 🙂 Ich bin mir nicht sicher, ob ich bei meinen Großeltern je vollständige Weihnachtsberge gesehen habe. Irgendwann war ihnen das Hinräumen zu viel geworden und sie verteilten nur einige Figuren in der Wohnung. Schade eigentlich, das ist wohl eine Tradition, die langsam in Vergessenheit gerät.

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